
Ich habe eine Lieblingsgeschichte im Alten Testament. Es ist die Geschichte der ägyptischen Sklavin Hagar, die kurz vor dem Verdursten von Gott gesehen wird. Mitten in der Wüste. Nachzulesen ist die Geschichte in Genesis 16. Eigentlich ist es eine Geschichte voller Leid, Verzweiflung und Einsamkeit.
Aber alles ändert sich, als Hagar von Gott gefunden wird. Denn dort, mitten in der Wüste, schickt Gott ihr einen Engel und rettet sie. Ich erkenne mich immer wieder in dieser Sklavin. Sie wird nicht nur am Tiefpunkt ihres Lebens von Gott gefunden und angesprochen, sie gibt Gott auch einen ganz persönlichen Namen:
„Da rief Hagar aus: ‚Ich bin tatsächlich dem begegnet, der mich sieht!‘ Darum nannte sie den Herrn, der mit ihr gesprochen hatte: ‚Du bist der Gott, der mich sieht‘“ (1. Mose 16,13).
Im Zuge meiner Lesung am Samstag (übrigens die aller erste live Veranstaltung für mich nach Covid-19 und auch während meiner Heilungsreise) habe ich selbst noch mal mein Buch in die Hand genommen. Wie wertvoll.
An dieser Stelle will ich euch ermutigen mal das alte Notizbuch aus dem Schrank zu kramen, dass ihr vor Jahren gefüllt habt. So ging es mir, als ich “Sein Blick heilt dein Herz” in die Hände genommen habe. “Das habe ich alles schon mit Gott erlebt?”. Es tat meiner verletzten und fragenden Seele so gut. So rechtzeitig kommt diese Lesung und meine damit verbundene Aufgabe, mich Hagars Geschichte, die auch meine eigene ist, zu stellen.
Aber zurück zu Hagar.
Wie musste es sich für Hagar angefühlt haben, von Gott angesehen zu werden? Offensichtlich so überwältigend, dass sie dieses Erlebnis in seinen Namen „einschreiben“ wollte. In der Bibel ist nur ein einziges Mal die Rede davon, dass ein Mensch Gott einen Namen gibt. Das ist die Geschichte von Hagar. Einer Frau in der Wüste. Einer Sklavin. Verlassen und verzweifelt. Von genau dieser Frau lässt sich Gott einen zusätzlichen Namen geben. Von einer Frau, die verstoßen und verachtet war. Kennst du solche Namen über dir?
Hagar nannte ihren Gott von diesem Moment an an „El Roi“, das ist hebräisch und bedeutet: „Der Gott, der mich sieht“. Und die Wasserstelle, an der der Engel Gottes sie findet, taufte sie auf den Namen „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht.“ Der Ort, an dem sie sich von Gott gesehen fühlte, wurde zu ihrer Versorgungsstätte, zu dem Ort, an dem Gott nicht nur ihren körperlichen Durst löschte, sondern auch den ihres Herzens. Bis zu diesem Zeitpunkt war Hagar eine Frau gewesen, der man viele Namen gegeben hatte. Sie war eine Sklavin, eine zutiefst verletzte und wahrscheinlich emotional missbrauchte Frau. Sie war unerwünscht, ausgestoßen und vertrieben. Die Blicke, die man ihr bis zu diesem Zeitpunkt zugeworfen hatte, waren höchstwahrscheinlich keine wertschätzenden gewesen.
Der Ort, an dem sie sich von Gott gesehen fühlte, wurde zu ihrer Versorgungsstätte, zu dem Ort, an dem Gott nicht nur ihren körperlichen Durst löschte, sondern auch den ihres Herzens.
Gibt es vielleicht auch in deinem Leben Blicke, die dir beigebracht haben, anderen nicht mehr zu trauen? Und welche Blicke trägst du auf dir, ohne dir ihrer überhaupt bewusst zu sein? Wie oft erwidern wir im Alltag nicht Gottes Blick auf uns und verpassen so die Erinnerung daran, wer wir in ihm sind.
Du bist der Gott der mich sieht, du bist El-Roi, und hier in dieser Wüste, werde ich von dir gesehen Und HIER WERDE ICH NICHT STERBEN. Denn bei ihr ging es um Leben und Tod. Krasse Geschichte oder? Sie erkennt, weil Gott mich hier sieht in der Wüste, werde ich nicht sterben. Du bist El-Roi.
Das ist die Geschichte von Hagar. aber es ist auch meine Geschichte. Und deine.
Ich habe während ich das Buch geschrieben habe und jetzt wieder einmal über die Begegnung zwischen Hagar und Gott nachgedacht und mir ist neu klar geworden:
In dieser Geschichte gibt es zwei Rollen. Es gibt den, der Sieht. Und wer ist der oder andere?
Die, die angeschaut wird.
Wer sind wir, wenn Gott der ist, der uns ansieht? Wir sind die Gesehen. Die von Gott Gesehen.
Das ist die Geschichte von Hagar, aber es ist
auch meine Geschichte. Und deine.
Du bist die von Gott Gesehene.
Wenn ich weiß, wer ich bin und zu wem ich gehöre, kann ich mutig der Zukunft entgegenblicken und voller Zuversicht den neuen Tag beginnen. Deshalb müssen wir wissen, wer wir sind; wer wir in Jesus Christus sind, und wer wir sind, wenn am Abend der Vorhang fällt und wir mit uns allein sind.
Die Antwort ist so simpel wie genial und zutiefst bewegend: Ich bin eine von Gott Gesehene. Und eine Gesehene zu sein, schließt aus, übersehen zu werden. Wir sind die von Gott Gesehenen. Indem Gott uns in unserer größten Not und mit unserer tiefsten Sehnsucht sieht, wird er jedem von uns zu einem „El Roi“. Zu unserem Gott, der uns sieht. Und der uns zeigt, wer er für uns sein will. Das Ziel seiner Liebe und seiner ganzen Aufmerksamkeit, das sind wir. Das bist du.
Ich bin eine von Gott Gesehene. Und eine Gesehene zu sein,
schließt aus, übersehen zu werden.
Was löst das in dir aus, wenn du am Morgen mit dem Wissen aufwachen darfst, gesehen zu werden? Indem wir anerkennen, dass Gott „El Roi“ ist, erkennen wir gleichzeitig an, dass wir „die von Gott Gesehenen sind“. Das ist unsere Identität. Unsere Bestimmung. Und unsere Hoffnung. Und mit dieser Hoffnung lässt es sich so viel besser leben!
Mit dieser Erinnerung darfst du in den heutigen Tag gehen, in diese Woche und in die Aufgabe, die dir unüberwindbar erscheint. Und durch die Wüste, die vor dir liegt. Du wirst dort nicht umkommen.